Debatten-Workshop: Artenschutz & Natura 2000

Was hat Priorität – Infrastruktur, Wohnraum und Industrie oder der Schutz von Eremit und Zauneidechse? Schützenswerte Tierarten können geplante Bauvorhaben verhindern oder verzögern. Am 7. Juni 2022 wurden zunächst die beiden Arten porträtiert. Anschließend sind wir in die Debatte gegangen und haben typsiche Zielkonflikte bei Bauvorhaben aktiv geübt.
FFH-Holzkäferart Eremit im Naturschutzgebiet und FFH-Gebiet „Leitsakgraben“ – Foto: David Wagner
FFH-Holzkäferart Eremit im Naturschutzgebiet und FFH-Gebiet „Leitsakgraben“ – Foto: David Wagner

Laut dem Umweltbundesamt werden deutschlandweit täglich über 50 Hektar zu Verkehrs- und Siedlungsfläche ausgewiesen. Bei einem Versiegelungsgrad von 44 % verlieren wir täglich fast 40 Fußballfelder an potenziellem Lebensraum für die Natur. Gerade bei Straßenverbreiterungen werden immer wieder Bäume gefällt, die mit dem geschützten Eremit-Käfer (Osmoderma eremita) besiedelt sind. Auch Vorkommen von Zauneidechsen (Lacerta agilis) sind häufig bei der Ausweisung neuer Industrie- oder Verkehrsflächen betroffen. Aber wie lässt sich in der Debatte über knappen Lebensraum, angesichts der Notwendigkeit von Infrastruktur und einer funktionierenden Wirtschaft für naturschutzfachliche Themen sachlich argumentieren? Diese brennenden Fragen beschäftigen immer mehr Menschen in Brandenburg und beeinflussen zunehmend die Arbeit der Naturschutz-Aktiven innerhalb und außerhalb von Schutzgebieten. Für den erfolgreichen Schutz von FFH-Arten möchten wir mit Dir den Dialog üben.

Schlagfertig argumentieren und konstruktiv Gespräche führen!

In jedem Debatten-Workshop möchten wir gemeinsam unsere Argumentations- und Kommunikationsfähigkeit stärken. Wir wollen den Umgang mit herausfordernden Situationen und herausfordernden Personen trainieren sowie ein politisches Framing zu bestimmten Themen entwickeln. Solche herausfordernden Dialoge sind bei Bauvorhaben keine Seltenheit. Befinden sich auf der potentiellen Baufläche Bäume, in denen Eremiten vorkommen, oder leben dort Zauneidechsen, dann müssen im Planungs- und Zulassungsverfahren die Bestimmungen des besonderen Artenschutzes (§§ 44 und 45 BNatSchG) beachtet werden. Besonders Arten, die im Anhang II oder IV der FFH-Richtlinie aufgelistet sind, wie Eremit und Zauneidechse stehen dabei im Fokus. Es muss geprüft werden, ob der Eingriff zulässig ist. Falls im Rahmen der Bauplanung ein alternativer Standort gesucht, eine Trasse verlegt oder Ausgleichs- und Erhaltungsmaßnahmen durchführt werden müssen, können sich die Planungs- und Baukosten stark erhöhen.

Im Rahmen des Debatten-Workshops gab Jens Esser von der Entomologischen Gesellschaft ORION Berlin eine Einführung in den Schutz des Eremiten und Nico Brunkow vom NABU Frankfurt (Oder) stellte den Schutz der Zauneidechse vor. Mit dem gesammelten Wissen starteten wir danach in die Diskussionen.

Digitaler Debatten-Workshop: Artenschutz und Natura 2000
am 07. Juni 2022, um 18 bis 21:30 Uhr, im Webinarraum

Der NABU Brandenburg bedankt sich herzlich bei allen Teilnehmenden!

Bei jedem Workshop möchten wir mit Dir auch darüber diskutieren, wie ein sinnvolles Management und Monitoring von FFH-Arten helfen kann, das weltweit größte Schutzgebietsnetz „Natura 2000“ mit Vogelschutz- und Fauna-Flora-Habitat-Gebieten (FFH-Gebieten) in einem guten Zustand zu erhalten. Vor allem im Artenschutz und der Weiterentwicklung von Natura 2000-Gebieten treffen eine Vielzahl unterschiedlicher Interessensgruppen aufeinander. Hier gilt es, besonders diplomatisch zu agieren, um für die Natur auf den EU-weit geschützten Flächen den größtmöglichen Erfolg zu erzielen.

Ablauf des Debatten-Workshops

17:45 Uhr Technikeinführung mit Laura Klein, NABU Brandenburg
18:00 Uhr Kurze Vorstellungsrunde
18:05 Uhr Einführung in Argumentation und Gesprächsführung, Dr. Moritz Kirchner, Institut für Kommunikation und Gesellschaft
18:20 Uhr Projektvorstellung und Einführung in das Thema: „Artenschutz und Natura 2000“, Laura Klein und Lars Röhling, NABU Brandenburg
18:25 Uhr Einführung in das Thema der 1. Debatte: Schutz des Eremiten, Jens Esser, Entomologische Gesellschaft ORION Berlin
20:00 Uhr Einführung in das Thema der 2. Debatte: Schutz der Zauneidechse, Nico Brunkow, NABU Frankfurt (Oder)
18:35 Uhr bis 21:30 Uhr im Wechsel: Teilnehmende sammeln fachliche Argumente in digitalen Kleingruppen, gemeinsame Debatten (pro vs. contra) mit diesen gesammelten Argumenten und Präsentation von Dr. Moritz Kirchner (zwei Debatten-Runden)
21:30 Uhr Ende der Veranstaltung

Themen der beiden Debatten-Runden:
1. Debatte: pro vs. contra: Schutz des Eremiten (Osmoderma eremita)
2. Debatte: pro vs. contra: Schutz der Zauneidechse (Lacerta agilis)

Dr. Moritz Kirchner vom Institut für Kommunikation und Gesellschaft verfügt über eine langjährige Erfahrung als Trainer, Berater und Coach in Kommunikation und Rhetorik. Er war 2015 Vizemeister im Debattieren und schreibt u. a. Reden für Abgeordnete.


Eine Zauneidechse sonnt sich auf Totholz
Eine Zauneidechse sonnt sich auf Totholz – Foto: Lars Röhling

Die Zauneidechse

Neben der Waldeidechse ist die Zauneidechse die häufigste Eidechsenart Deutschlands. Dennoch ist sie insbesondere in der neueren Zeit durch Lebensraumverlust in Brandenburg als gefährdet gelistet. Auf der Roten Liste wird sie bundesweit in der „Vorwarnliste“ geführt und durch die FFH-Richtlinie (Anhang IV) als „besonders geschützt“ eingestuft. Essentiell für den Lebensraum der Zauneidechsen ist das Vorhandensein geeigneter Verstecke und Sonnenplätze (z. B. auf Steinen oder Totholz). Für die Eiablage benötigen die Reptilien bewuchsfreie Flächen, weswegen trockene Sandböden wichtig für deren Fortpflanzung sind. In Deutschland besiedeln sie neben naturnahen Waldrändern auch von Menschen geprägte Lebensräume wie Weinberge, Steinbrüche, Gärten und Parkanlagen. Auch ehemals extensiv genutzte Weideflächen und Heidegebiete sowie Ränder von Feuchtwiesen oder Niedermooren bieten einen Lebensraum für die Zauneidechse. Die Vorliebe der Art für Übergangsbereiche und Grenzstrukturen ist bereits dem deutschen Namen zu entnehmen. Für den Verlust an Lebensraum sind insbesondere der Ausbau von Verkehrsinfrastruktur, eine Intensivierung der Landnutzung sowie die großflächige Aufforstung strukturarmer Wälder verantwortlich.

Ein Workshop in Potsdam befasste sich mit der Frage: Zauneidechsen im Vorhabengebiet – was ist bei Eingriffen und Vorhaben zu tun?

Tobias Mainda vom NABU Osthavelland zeigt im Naturschutzgebiet und FFH-Gebiet „Leitsakgraben“ eine Baumhöhle in einer alten Eiche, in der früher Eremiten lebten – Foto: David Wagner
Tobias Mainda vom NABU Osthavelland zeigt eine Baumhöhle in einer alten Eiche, in der früher Eremiten lebten – Foto: David Wagner

Der Eremit

Der Eremit (Osmoderma eremita), auch Juchtenkäfer genannt, gilt als Charakterart naturnaher und urständiger Wälder. Seine Larven ernähren sich von verpilztem und faulem Holz, und sie entwickeln sich innerhalb von ein bis drei Jahren in alten Laubbäumen. Hier ist das Vorhandensein großer Höhlen wesentlich entscheidender als die Baumart selbst. Wie sein Name schon vermuten lässt, führt der Eremit ein Leben im Verborgenen. Auch die adulten Käfer leben in Baumhöhlen. Gerade mal 15 Prozent der Tiere verlassen ihre Bruthöhle. Der Nachweis eines Eremiten erfolgt meist nur über die zylindrischen Kotkrümel seiner Käferlarven und über Schalenresten. Auch wenn der Eremit sehr flugträge ist, reicht ihm ein einzelner Brutbaum nicht aus. Eremiten-Populationen sind von einem Biotopverbund mit hohem Altholzanteil abhängig. Im deutschen Wirtschaftswald ist dies allerdings selten der Fall, weswegen der Eremit auf der Roten Liste als „stark gefährdet“ eingestuft wird. Des Weiteren ist die Art nach Anhang II und Anhang IV der FFH-Richtlinie europaweit geschützt. Brandenburg trägt eine hohe Verantwortung für den Schutz des Eremiten.


Natura 2000

Natura 2000 ist das weltweit größte Netz aus Schutzgebieten, und es besteht aus Vogelschutzgebieten und FFH-Gebieten. FFH-Gebiete sind europäische Schutzgebiete, die nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie geschützt sind, d. h. sie schützen Tiere (Fauna), Pflanzen (Flora) und Lebensräume (Habitat). Durch einheitliche Standards schützt Natura 2000 natürliche Lebensräume und wildlebende Arten europaweit. Die vermehrte Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen in FFH-Gebieten kann helfen, Lebensräume und Arten in FFH-Gebieten zu schützen und zu erhalten. Natura 2000 in Brandenburg macht rund 26 Prozent der Landesfläche aus und besteht aus 27 Vogelschutzgebieten und fast 600 FFH-Gebieten.


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Projektförderung

Dieses Projekt wird gefördert durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und kofinanziert aus Mitteln des Landes Brandenburg bzw. des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz (MLUK).

Mehr Informationen finden Sie auf folgenden Webseiten: